ENGEL
 

 

ENGEL


(AUTHOR UNBEKANNT)

Gestern auf der Straße fiel ich tief in einen Abgrund. Ein Tränensturzbach einer Verzweiflung, der ich nicht Herr werden konnte. Ich bin geboren unter einem Stern, gezeugt auf einem anderen. Bestrahlt von einer Sonne, die mir fremd ist, will nach Hause. Will diesen Fragen eine Antwort geben können, und meinem Herzen einen Ort zum Atmen. Will sehen, dass meine Flügel mich noch tragen - dass deine Flügel noch lebendig sind in mir. Als wir uns das erste Mal trafen, fiel ich gerade in einen Abgrund, ließ mich fallen, wie du mir sagtest, und wartete auf jemanden ,der mich auffängt. Vielleicht auch um zu sehen wie der Boden des Abgrunds aussah. Ich sah nur meine ausgestreckten Hände in einer Geste, von der ich jetzt weiß, dass sie einem Hilfeschrei glich. Wollte denn niemand mit mir fallen, niemand mich auffangen? Dann sah ich deine Hand, zwischen all den verschränkten Armen, den abwehrenden Gesichtern, und konnte es nicht glauben. Wollte es vielleicht auch nicht glauben. Hielt es für eine Lüge, einen Hinterhalt. Meine Zweifel müssen dich verletzt haben. Um mich schlug ich, um dich zu treffen, und alle die mir weh taten, und traf doch meistens mich dabei. Du hast gewartet, mir weiterhin die Hand gereicht, und verstanden. Hast hinter die Mauer gesehen, hast mir Steine gereicht aus Glas, aus meinen versteinerten Tränen, die ich zerschlagen konnte an meinem Schweigen. Hast geschwiegen in Zeiten der Ruhe, hast mir deine Worte geschenkt in den Zeiten der Ratschläge, hast mir dein Ohr geschenkt in den Zeiten, in denen ich um Worte kämpfte. Hast mich in all dieser Zeit zwischen deinen Flügeln gehalten und mich meinen Herzschlag spüren lassen. Hast mir gezeigt dass ich lebe und das mein Herz stark ist, wenn ich stark bin. Hast mir gezeigt dass ich stark bin in dir, weil ich stark bin hinter dem Horizont. Weil unsre Hände sich hinter dem Horizont treffen, und ich im Reich der Sterne mein Lied gesungen habe. Hast mir einen Spiegel gezeigt, ohne Lügen und verzerrte Bilder. Liest mich einen Wahrheit erkennen, die ich verloren hatte. Sah ein kleines Kind, weinend hilflos, Aufgaben ausgesetzt, denen es sich nicht gewachsen fühlte, allein gelassen in einer Welt der Erwachsenen. Sah dies Kind wachsen, menschlich werden, sah den Sternenglanz in seinen Augen verblassen. Als ich dies erkannte, fragte ich dich besorgt nach der Identität dieses Kindes, doch du meintest nur: " Sieh weiter hin, du wirst es erkennen." Und nur zu bald schon erkannte ich mich in deinem Traumspiegel, weinte bittere Tränen um das was ich verloren glaubte. Wo hatte ich die Hoffnung verloren, wo den Glauben an andere Menschen, wo das Vertrauen in mich selbst? Ich wußte es nicht mehr. Du meintest es spiele auch keine Rolle, wann und wo. Nur wiederfinden müsse ich den Schatz, der in mir lag. Aus meinen dunklen Augen wieder Sterne machen, aus meinen Gedanken wieder Ideen, aus meinen Zweifeln wieder Fragen an das Leben. Du meintest ich hätte Flügel, doch das konnte ich dir nicht glauben. Da erzähltest du mir von der Zeit, in der ich Licht in dein Leben gebracht hätte, mich furchtlos in eine Nacht gestürzt hätte, von der ich nicht wußte ob sie ein Ende haben würde. "Das ist nichts", meinte ich da. "Nichts im Vergleich zu dem was du bist, oder was andere sind." Du lachtest nur und meintest ich müsse im Neumond geboren sein. Müsse meinen Stern früh verlassen haben, um zur Erde zu fallen, müsse viele Wege durch steinige Landschaften zurückgelegt haben, und doch sei ich jetzt hier. Hier war zu diesem Zeitpunkt irgendwo im freien Fall in den Abgrund in deinen Armen, getragen von deinen Schwingen. "Warum fallen wir weiter", verlangte eine Stimme in mir zu wissen, obwohl mein Herz die Antwort schon zu kennen schien. "Damit du siehst, dass du Fallen kannst, und doch wieder nach oben kommst, damit du erkennst, dass dieser Abgrund ein Teil von dir ist, auch ein Teil dessen, was uns verbindet. Auch du bist ein Engel, möglicherweise ein Engel der Nacht wie ich?!" Kopfschüttelnd wies ich diese Idee von mir, und doch schien mir dieses Fallen im Fliegen natürlich, wie ein Teil von mir. "Lass mich los", bat ich dich, "doch lass mich nicht alleine." "Du wirst nie wieder alleine sein, wenn du dich selbst gefunden hast, und deinen Stern", strahlten deine Augen," und du wirst immer geborgen sein in meinen Träumen." "Ist auch dies nur ein Traum? Bist du nicht wirklich?" Eine böse Vorahnung ergriff mein Herz. "Ein Teil von mir lebt in der Wirklichkeit, wie wir es alle tun, auch du, und in dieser Wirklichkeit hast du dich verloren, doch dies hier ist ein Teil deiner Wahrheit. Hier ist alles echt. Wahrhaftig." Ich sah mich um, und erkannte dass dieser Abgrund war wie ich, ein Abbild meiner Angst. In diesem Moment fiel ich, verlor den Halt., wusste nicht mehr woran noch glauben... Doch deine Flügel trugen mich, und ich hörte deine Stimme in meinem Herzen - "An dich und das woran du glaubst, das was du bist. Sei der Engel, der du mir warst auch für dich selber." Ich spüre ein seltsames Kribbeln in mir und merke, dass ich im Raum stand. Es war dunkel um mich, doch ich spürte Licht um mich herum. Ich merkte dass mein Herz stockte, merkte dass ich mich an dir festhalten wollte, diese Nähe nicht abbrechen lassen wollte, nicht glauben wollte, dass ich eigene Flügel bekam, und doch...Es wurde hell, ein Aufwachen wie aus einem langen traumlosen Schlaf in einer Wirklichkeit, deren Schatten noch immer Teil meines Lebens sind. Dann dich wieder treffen im Alltag, sehen dass deine Flügel versteckt sind hinter deiner Maske, dich an der Hand nehmen, durch die Nacht stromern und dir meinen Stern zeigen. Einen Engel wie dich zu haben, hat niemand verdient.

 

Ich weiß nicht was aus dir geworden ist, ich habe dich aus den Augen verloren, als wir beide uns aufmachten anderen Licht zu zeigen, Hoffnung zu erklären. Doch in meinem Herzen schlägst du weiter, und deine Worte helfen mir den Abgrund zu umschiffen. Sicherlich, auch jetzt fließen noch Tränen aus meinen Augenwinkeln, und ich hadere mit dem Schicksal, verstehe das Leben nicht und finde keine Antworten auf meine Fragen. So wie heute. Doch ich spüre deine Umarmung, und höre deinen Flügelschlag. Sehe deine Sternenaugen blitzen, und weiß es wird immer einen Stern geben, auf dem ich zu Hause bin. Meinen Stern. Doch auch dein Stern wird mich immer willkommen heißen, denn mit Blut und Tränen schrieb ich meinen Namen in seine Erde und in mein Herz, in dein Herz. Ich hoffe du fliegst - doch wenn du fällst werde ich bei dir sein.

 

 

 

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